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Niki de Saint Phalle
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1930 Neuilly-sur-Seine - 2002 San Diego
Mit ihren fröhlichen, voluminösen "Nana"-Figuren aus bunt bemaltem Polyester wurde Niki de Saint Phalle weltweit berühmt. Zwar erregten sie bei ihrer ersten öffentlichen Aufstellung großes Aufsehen, wurden von Künstlerkollegen belächelt und sorgten in Hannover sogar für einen regelrechten "Kunst-Skandal".
Mittlerweile jedoch hat auch die Fachwelt die Figuren als moderne Metapher für das Frau-Sein anerkannt. "Meine erste Ausstellung mit Nanas nannte ich Nana Power", erklärte die Künstlerin. "Für mich waren sie das Symbol einer fröhlichen, befreiten Frau". Zwanzig Jahre später hatte sich ihre Sicht auf die "Nanas" signifikant verändert. Niki de Saint Phalle sah sie nun sogar als Vorboten eines neuen matriarchalischen Zeitalters.
In dieser Vision spiegelt sich auch Niki de Saint Phalles persönliche Entwicklung. Catherine Marie-Agnès Fal de Saint Phalle, genannt Niki, war als zweites von fünf Kindern in Neuilly-sur-Seine bei Paris zur Welt gekommen. Ihre Eltern waren der französische Bankier André Marie Comte de Saint Phalle und seine amerikanische Frau Jeanne Jacqueline, geb. Harper.
Nachdem der Vater durch den Börsenkrach von 1929 sein gesamtes Vermögen verloren hatte, verbrachten Niki und ihr älterer Bruder drei Jahre bei den Grosseltern in Nièvre, Frankreich.
1933 zog die Familie nach Greenwich, Conneticut, und verbrachte die Sommer auf Schloss Filerval in Frankreich, ein Besitz des Großvaters Donald Harper.
1937 siedelte die Familie nach New York über, wo Niki zunächst die Klosterschule Sacred Heart, später die Brearly School besuchte. Sie galt als aufsässige und wenig angepaßte Schülerin. Ihren Abschluss machte sie an der Mädchenschule Old Field School in Maryland.
Bereits als 18-jährige heiratete sie Harry Mathews und zog mit ihm nach Cambridge (Massachusetts). Während Harry Mathews an Harvard Musik zu studieren begann, fing Niki an zu malen und mit unterschiedlichen Materialien zu experimentieren. Daneben verdiente sie Geld als Fotomodell für renommierte französische und amerikanische Magazine.
Im April 1951 kam die gemeinsame Tochter Laura zur Welt. Nur ein Jahr später zog die Familie nach Paris, wo Niki Theaterwissenschaften studierte und Schauspielunterricht nahm. Ihr Mann setzte sein Musikstudium fort und wurde später Schriftsteller. 1953 brach über Niki eine persönliche Katastrophe herein, die sie zum Umdenken veranlaßte.
In Nizza erlitt sie einen Nervenzusammenbruch und wurde stationär behandelt, mit Elektroschocks und Psychopharmaka. Nun mußte sie sich von den Zwängen der bürgerlichen Erziehung befreien, und dafür schien der Künstlerberuf der einzig richtige Ausweg zu sein.
In Paris lernte Niki nicht nur das Schweizer Künstlerpaar Eva Aeppli und Jean Tinguely kennen - eine bekanntlich folgenreiche Begegnung -, sondern auch den amerikanischen Maler Hugh Weiss, der sie ermutigte, ihrem autodidaktischen Malstil treu zu bleiben.
Niki ging mit ihrer Familie nach Deya auf Mallorca, wo 1955 Sohn Philip geboren wurde.
1956 hatte sie ihre erste Einzelausstellung in St. Gallen, mit Gipsreliefs und Material-Assemblagen. 1960 wurde die Scheidung von Harry Mathews vollzogen. Niki lebte und arbeitete fortan mit Jean Tinguely zusammen.
1965 wurden die ersten "Nanas" in der Galerie Iolas in Paris ausgestellt. Die scheinbar ausgelassenen und wild tanzenden weiblichen Figuren wurden von Kritikern keineswegs als nur fröhlich, sondern eher als agressiv, satirisch und feministisch empfunden. Die nur ein Jahr später in Stockholm verwirklichte "Riesennana" wurde sogar als "größte Hure der Welt" bezeichnet. "Hon - en katedral" (zu deutsch: "Sie - eine Kathedrale") lag mit gespreizten Schenkeln da und bot den Besuchern Einlass durch ihre Vagina.
Allen Skeptikern zum Trotz hat sich die Tochter aus gutem Hause mit ihrer Kunst geradezu triumphal durchgesetzt. Die "Sternschnuppe mit marginaler Flugbahn im Universum der Randexistenzen" (Pierre Restany) ist inzwischen nicht nur in zahllosen Gruppen- und Einzelausstellungen dieser Welt geehrt worden.
In ihrer Publikumsgunst hat sie sogar die männlichen Künstlerkollegen der Gruppe "Nouveau Réaliste" klar überrundet. Auf dem internationalen Kunstmarkt gehören die lebensfrohen Arbeiten von Niki de Saint Phalle zu den gefragtesten Werken zeitgenössischer Kunst.
Am 21. Mai 2002 starb Niki de Saint Phalle nach langer Krankheit im Alter von 71 Jahren in ihrer Wahlheimat San Diego, Kalifornien. Durch giftige Dämpfe, die beim Modellieren ihrer Skulpturen entstanden, hatte sie sich schon vor Jahrzehnten einen Lungenschaden zugezogen, der sie mit zunehmendem Alter immer mehr schwächte.
Ausgewählte Einzelausstellungen:
1980 Niki de Saint Phalle - Retrospektive. Centre Georges Pompidou, Paris.
2001 Niki de Saint Phalle - "La Fête". Tinguely-Museum, Basel.
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